Militär
Hintergrundwissen
Käfigpanzerung
Einleitung
Als Käfigpanzerung (Slat Armor, Cage Armor) wird ein zusätzlicher Schutz für die Panzerung von militärischen Fahrzeugen bezeichnet.
Funktionsweise
Feste Käfigkonstruktion aus Metall um das Fahrzeug herum sollen Panzerabwehrwaffen (z.B. Hohlladungsgeschosse; HEAT) vor dem Auftreffen auf die eigentliche Panzerung unschädlich machen.
Die Wirkungsweise beruht auf der Konstruktion der abzuwehrenden Projektile mit einem Piezoelement in der Spitze, das beim Aufschlag einen elektrischen Impuls an den Initialzünder im Boden der Hohlladung sendet. Trifft das Projektil in eine Lücke im Gitter, so löst das Piezoelement nicht direkt aus, beim Eindringen in das Gitter wird aber das Projektil beschädigt.
Zwei Mechanismen können eine effektive Wirkung des Projektils verhindern:
- Ein elektrischer Kurzschluss zwischen dem inneren Metallkonus und der äußeren aerodynamischen Abdeckung kann verhindern, dass das elektrische Signal den Initialzünder im Boden des Projektils erreicht.
- Die konische Metallauskleidung und die Sprengladung der Hohlladung können beim Auftreffen so verformt werden, dass sich bei einer Zündung des Penetrators (Eindringkörper) nicht ausformt.
Trifft der Zünder allerdings frontal auf einen Gitterstab, wirkt die Hohlladung in ihrer normalen Funktion. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Projektil abgewehrt wird, wird je nach Rahmenbedingungen wie etwa der Maschengröße und dem Aufschlagwinkel, zwischen 30 % und 70 % angegeben.
Starre Käfige aus Metallprofilen haben gegenüber Netzen bei schrägem Auftreffen in der Horizontalen einen höheren Wirkungsgrad und können im Feld leichter repariert werden, haben dafür aber ein höheres Gewicht.
Ein Käfig ist leichter (und billiger) als andere Zusatzpanzerungen. Nachteilig ist das vergleichsweise geringe Schutzspektrum. Sie wirkt nur gegen bestimmte Hohlladungsgeschosse, andere Munitionsarten werden nicht beeinflusst.
Das britische Unternehmen BAE Systems entwickelte ab 2007 eine leichte Aluminiumkonstruktion (L-ROD bar armor system). Dieses wird laut Unternehmensangaben u.a. bei der U.S. Army eingesetzt und ist nur halb so schwer wie herkömmliche Stahlkäfige, bietet aber den gleichen Schutz.
Anwendung
Käfigpanzerungen wurde im Zweiten Weltkrieg eingeführt, um der Bedrohung durch Panzerabwehrhandwaffen des Typs Panzerfaust und Bazooka zu begegnen. Die vor allem für die Panzerkampfwagen III, IV, V und Sturmgeschütze verwendeten Seitenschürzen aus 5 mm starken Stahlplatten wurden ab Ende 1943 auch aus dickem Maschendraht ausgeführt. Die Gründe waren Gewichtsersparnis beim Fahrzeug, Materialersparnis bei der Fertigung, sowie die Tatsache, dass die Bedrohung durch Panzerbüchsen mit Voll- oder Hartkerngeschossen weniger wog als die durch Panzerabwehrwerfer mit Hohlladungsgeschossen.
Am Ende des Krieges wurden in Berlin auch einige sowjetische T-34/85 mit Gittergeflecht an Wanne und Turm ausgestattet, die gegen deutsche Panzerfäuste helfen sollten. Ähnliches ist von Alliierten bekannt, die bei Paris den Maschendraht von Kleintierkäfigen an ihren Panzern anbrachten, um einen Schutz vor Hohlladungen und Panzerfäusten zu haben.
Im Vietnamkrieg verwendete die U.S. Army sogenannte RPG-Netze. Im Prinzip handelt es sich dabei um Maschendrahtzaun, der zum Schutz gepanzerter Fahrzeuge in festen Stellungen vor diesen positioniert wurde. Anstatt wie ursprünglich gedacht das Geschoss frühzeitig zu zünden und durch den erhöhten Abstand zwischen Hohlladung und Ziel dessen Wirkung zu verringern, stellte sich hier die oben beschriebene entschärfende Wirkungsweise ein. Um beispielsweise Mannschaftstransporter (Armored Personnel Carrier; APC) M113 durch die Abstandswirkung vor einer RPG-7 (reaktive Panzerbüchse aus Sowjetzeiten) zu schützen, müsste diese 3,6 m vor dem Fahrzeug gezündet werden.
Die amerikanischen und britischen Streitkräfte griffen im Irakkrieg auf die Käfigpanzerung zurück, um die anhaltende Bedrohung durch von Aufständischen eingesetzte RPG-7 (reaktive Panzerbüchse aus Sowjetzeiten) zu neutralisieren. So fand dieses Schutzkonzept vor allem bei Fahrzeugen des Typs Buffalo (Mine-Resistant Ambush Protected; MRAP), Stryker (Armored Personnel Carrier; APC) und FV432 Warrior (Infantry Fighting Vehicle; IFV) Anwendung.
Der militärtechnische Informationsdienst Janes.com berichtete bereits im Januar 2022, noch vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar desselben Jahres, von Sichtungen russischer Kampfpanzer (Main Battle Tank; MBT) mit Käfigpanzerung. Im Laufe der Invasion rüsteten die russischen Streitkräfte zunehmend Kampfpanzer des Typs T-72, T-80 und T-90 mit Käfigpanzerung oberhalb des Turms nach, um so die Fahrzeuge besser gegen Panzerabwehrlenkwaffen mit Top-Attack Modus, wie die amerikanische Javelin oder schwedische NLAW, zu schützen.
In diesem Zusammenhang wurde der Begriff Cope Cage [Deutsch: in etwa Klar-komm-Käfig] gebildet, in dem zum Ausdruck kommt, dass dieser Form der im Feld improvisierten Panzerung mehr psychologische als tatsächliche Schutzwirkung zugesprochen wird.